Liebe und Schmerz, Glück und Verlust liegen oft dicht beieinander. Selten sind sie auf so tragische Weise ineinander verflochten wie bei Grit und Henrik Dollan. Eine Geschichte von Licht und Schatten, die am Ende eine große Zuversicht nährt: Was auch immer uns trennt, die Liebe bleibt.
Ginge es nach Grit, hätte diese Geschichte sicher schon früher begonnen. Sie schwärmte schon zu Jugendzeiten für den interessanten Typen aus dem Nachbardorf. Der verließ das kleine Groß Kölzig fürs Studium und erste Berufserfahrungen, während Grit das erste Mal Mutter wurde. Zwei Leben, die sich scheinbar in unterschiedliche Richtungen entwickelten. Mit seiner Rückkehr in die Heimat wurde aus diesen zwei Leben dann aber doch ein gemeinsamer Weg. Er begann zufällig mit einem Treffen beim dörflichen Osterfeuer im Jahr 2010. Aus ersten Dates wurde Liebe und auch die kleine Laura schloss Henrik als neuen Papa in ihr Herz. Es wuchs ein blindes Verständnis, in acht Jahren des gemeinsamen Wegs sollte es nie einen ernsthaften Streit geben. Mit eigenen Kindern ließen sich die beiden zunächst Zeit, dann ging es aber Knall auf Fall. Im Spätsommer 2016 und gleich ein gutes Jahr später kamen mit Frieda und Klara zwei Wunschkinder auf die Welt. Bereits vor der Geburt von Klara hatte Henrik seiner Grit einen Heiratsantrag gemacht. Romantisch und wie ein Prinz auf Knien, das war die klare „Vorgabe“ der damals 8-jährigen Laura. Sie hatte sogar den Verlobungsring mit ausgesucht. Heiraten wollten sie gleich im folgenden Sommer. Beim Wechsel ins Jahr 2018 schien nichts dieses Lebensglück trüben zu können. Eine Harmonie, auf die sich kurz nach dem Jahreswechsel dunkle Schatten legten. Heftigen, anhaltenden Bauchschmerzen bei Grit folgte schnell die Erkenntnis einer Krebserkrankung. Henrik beschlich bei aller Hoffnung und Zuversicht ein mulmiges Bauchgefühl und er organisierte binnen einer Woche eine standesamtliche Trauung, im kleinen Rahmen mit ihren drei Kindern. Die Großeltern überließen ihnen ihre Ringe, die beiden sogar genau passten. Die kirchliche Hochzeit in Weiß sollte folgen, wenn die Krankheit erst einmal überwunden ist. Das schnelle Bündnis sollte Sicherheit und Kraft für den Kampf gegen den Krebs geben, der sich entgegen allen Hoffnungen tief in ihren Körper fraß. Als der Krebs im Spätsommer immer mehr an Grits Lebenskräften sog, wurde Henrik schmerzhaft bewusst, dass ihnen die Zeit davonläuft.
Er wusste, wie groß ihr Herzenswunsch nach ihrem Tag im weißen Kleid war. Ein Wunsch, den er ihr unbedingt erfüllen wollte. Der Pfarrer Christoph Otto war als eine wichtige Stütze für Grit im Zuge der Erkrankung bereits zum Freund der Familie geworden und sicherte den nächstmöglichen Termin. Es folgte die eigentlich unmögliche Organisation der Hochzeit binnen acht Tagen, ohne dass Grit etwas davon merken sollte. Besondere Situationen setzen besondere Kräfte frei, so muss es auch bei Henrik gewesen sein. Neben dem Alltag zwischen Familie, Beruf und der Pflege seiner Frau entstand in unzähligen Telefonaten und Kurzmitteilungen der letzte, wunderschöne Tag im Leben von Grit. Sie erfuhr erstmals am Donnerstag, zwei Tage vor der Trauung, davon. Henrik hatte fast alles organisiert, bis auf die Wahl des Brautkleids. Zwei Tage vor der Hochzeit ein Brautkleid zu suchen, klingt utopisch. Henrik hatte in Sabine Adam, der Inhaberin des Cottbuser Braut- und Festmodegeschäfts, aber die richtige Seelengefährtin gefunden. Sie hatte selbst kurz zuvor in ihrer Familie einen schweren Verlust erlitten. So reiste sie mit einer großen Auswahl an Kleidern zu den Dollans. Grit war völlig überwältigt und weinte vor Glück. Sie fand ihr Kleid, das in nur einem Tag angepasst wurde.
Am Tag ihrer Hochzeit schienen Grit neue Lebenskräfte zu durchströmen. Zur Trauung in der kleinen Kirche von Preschen kam die ganze Familie zusammen, Freunde hatten eine weiße Kutsche mit zwei Schimmeln organisiert, ein Schornsteinfeger samt Hochzeitstauben gab der ewigen Liebe zusätzliche Symbolik. Den Saal des Gasthauses „Zur Dorflinde“ hatte die Inhaberfamilie Borsch schön dekoriert, die Kinder jagten auf einem mechanischen Pony um die Tische. Es wurde ein letzter, unbeschwerter Tag voller harmonischer Momente für die Ewigkeit. Lediglich kurz vor Mitternacht, beim Abtanzen des Schleiers, weinte der gesamte Saal, ergriffen von der Doppeldeutigkeit des fallenden Schleiers. Bis zwei Uhr morgen reichten die aufblühenden Kräfte. Vier Wochen später schlief Grit für immer ein. Henrik, seine Kinder und der enge Familienkreis gestalteten auch ihre letzte Reise ungewöhnlich persönlich. Sie verzierten den Sarg vor der Einäscherung mit bunten Botschaften und Bildern, ein aktiver Abschied, der auch den Kindern für immer bleibt.
„Die Hochzeit in Weiß war Grits großer Traum. Sie wurde unser letzter, wunderschöner und unbeschwerter Tag. Sie war so lebensfroh. Auch wenn sie gegangen ist, die Liebe bleibt.“